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Es geschah am ... 1. Oktober 2025Am 1. Oktober 2025 ist Jane Goodall in Los Angeles gestorben.Die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall wurde am 3. April 1934 als Valerie Jane Morris-Goodall in London geboren. Sie begann 1960, das Verhalten von wilden Schimpansen im Gombe-Stream-Reservat zu untersuchen und wurde zur „bekanntesten Primatenforscherin der Welt.“ Mit ihren umfassenden revolutionären Verhaltensstudien stellte sie die damals vorherrschenden wissenschaftlichen Ansichten in Frage: Sie zeigte, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und nutzen, Emotionen haben und innerhalb von komplexen Sozialstrukturen leben.
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Jane Goodall, Rednerin anlässlich der Preisverleihung des Equator Prize 2015
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Um für den Erhalt der Habitate der Primaten und damit für den Schutz ihrer Arten zu werben, gründete sie das Jane-Goodall-Institut mit dem Ziel, das Verständnis und den Schutz von Menschenaffen und ihrem Lebensraum zu fördern und junge Menschen zu motivieren, sich für den Umweltschutz und ihre Mitmenschen einzusetzen. Für ihre Pionierarbeit im Bereich der Verhaltenswissenschaften und primatologischen Feldforschung und ihren Einsatz für den Tier- und Umweltschutz wurde Goodall mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, 2002 als UN-Friedensbotschafterin, 2025 als Trägerin der Presidential Medal of Freedom. Ihr Buch The Chimpanzees of Gombe wurde zu einem Standardwerk in der Verhaltensforschung.
LebenKindheit und JugendJane Goodall wurde 1934 im Londoner Stadtteil Hampstead als ältere von zwei Schwestern geboren. Sie war die Tochter des Autorennfahrers und Motorsportfunktionärs Mortimer Morris-Goodall (1907–2001) und der Romanautorin Margaret Myfanwe Joseph (1906–2000) aus Milford Haven in Pembrokeshire, die unter dem Namen Vanne Morris-Goodall publizierte. Zu ihrem ersten Geburtstag erhielt sie einen Kuscheltier-Schimpansen namens Jubilee. Anderthalbjährig interessierte sie sich für Insekten. Ihre erste erfolgreiche „Feldforschung“ machte sie als vierjähriges Mädchen. Sie wusste nicht, wo denn die großen Eier bei den Hühnern herauskommen und verbrachte Stunden im Hühnerstall – ihre Mutter hatte ihr Kind bei der Polizei bereits als vermisst gemeldet – bis sie beobachten konnte, wie eine Henne ihr Ei legt. Als 10-jähriges Mädchen waren Doktor Dolittle und seine Tiere und Tarzan ihre Lieblingsbücher, wobei sie sich nach eigenen Angaben in den Waisenknaben, der von einer Gruppe Affen aufgezogen wurde, verliebte und sehr bedauerte, dass er die „falsche Jane“ genommen habe. Nach ihrer Schulausbildung besuchte Goodall zunächst eine Schule für Sekretärinnen und arbeitete für ein Filmstudio. Das Geld für ein Studium hatte gefehlt. Afrika 1957 verwirklichte sie ihren langgehegten Traum, Afrika kennenzulernen. Auf Einladung einer Schulfreundin reiste sie nach Mombasa. Im heutigen Gombe-Stream-Nationalpark traf Goodall im Juli 1960 ein. Sie fand im Nairobi National Museum eine Anstellung und kam in Kontakt mit dessen Direktor Louis Leakey. Der Anthropologe war beeindruckt von ihrer Beobachtungsgabe. Goodall erhielt die Chance, eine Feldstudie mit Schimpansen durchführen zu können. Goodall war die erste von drei Frauen, die aufgrund der Förderung des Paläoanthropologen Leakey Anfang der 1960er-Jahre mit einer Langzeituntersuchung über Menschenaffen beginnen konnten. Ihr folgten Dian Fossey mit Verhaltensbeobachtungen über Gorillas und Birutė Galdikas über Orang-Utans als weitere Basisprojekte in der Primatenforschung. Leakey und die drei Forscherinnen vermuteten, aufgrund ihrer Beobachtungen des Verhaltens von Primaten mithilfe der Ergebnisse ihrer Verhaltensforschung Rückschlüsse auf die Evolution des Verhaltens im Verlauf der Stammesgeschichte des Menschen ziehen zu können. 1962 wurde der niederländische Baron Hugo van Lawick von der National Geographic Society für einen Filmbeitrag nach Kenia gesandt. Am 28. März 1964 heirateten van Lawick und Goodall. Sie nahm den Doppelnamen Jane Van Lawick-Goodall an. 1967 wurde ihr Sohn Hugo, genannt „Grub“, geboren, dessen frühe Kindheitsjahre in Afrika sie 1988 in dem Fotobuch für Kinder Grub: The Bush Baby beschrieben hat. Die Ehe wurde 1974 geschieden. Obwohl Goodall zuvor nicht studiert hatte und daher den mindestens erforderlichen Bachelor-Grad nicht besaß, durfte sie sich in Anerkennung ihrer außergewöhnlich ertragreichen Verhaltensbeobachtungen mit einer höchst selten erteilten Ausnahmegenehmigung ab 1961 an der University of Cambridge zur Promotion in Ethologie einschreiben, reichte die Arbeit Behaviour of free-living chimpanzees erfolgreich ein und wurde 1966 promoviert. 1965 trat sie in Miss Goodall and the Wild Chimpanzees, dem ersten von National Geographic produzierten Film, den ihr Ehemann Hugo van Lawick mit ihr gedreht hatte, erstmals im Fernsehen auf. Dieses Filmmaterial wurde 2017 erneut für den Dokumentarfilm Jane, auch Jane (2017), von Regisseur Brett Morgen genutzt. Der mehrfach ausgezeichnete Film mit Musik von Philip Glass kam 2018 in die Kinos:
Viele Erkenntnisse über frei lebende Schimpansen sind auf Goodalls Arbeiten zurückzuführen. Sie bestätigte beispielsweise Beobachtungen, die Wolfgang Köhler in den 1910er-Jahren bei gefangenen Artgenossen gemacht hatte, dass Schimpansen zum Gebrauch von Werkzeugen fähig sind: Zum einen brechen sie Zweige ab und angeln damit Termiten aus den Löchern ihrer Bauten; zum anderen verwenden sie Steine als Hammer und Amboss, um Nussschalen zu sprengen. Ferner fand Goodall heraus, dass Schimpansen auch Fleisch fressen und sogar gemeinschaftlich auf die Jagd nach anderen Affenarten gehen sowie in Gruppen andere Schimpansengruppen attackieren. Unterstützt wurde ihre Forschung u. a. durch die Leakey Foundation. Erste Buchpublikation und Gastprofessuren 1971 erschien ihr erstes größeres Werk In the Shadow of Man, in dem sie detailreich die Individualität und die persönlichen Dramen der von ihr beobachteten Schimpansen schilderte. Goodall war eine der ersten Forscherinnen, die den von ihr beobachteten Tieren keine Nummern, sondern Namen gab. Diese Praxis stieß damals in der wissenschaftlichen Gemeinde auf Ablehnung, weil dadurch die Objektivität verloren gehe – und nicht zuletzt auch deshalb, weil Goodall zuvor „nur“ als Sekretärin und Kellnerin gearbeitet hatte und kein Studium vorweisen konnte. Inzwischen sind viele Wissenschaftler Goodalls Beispiel gefolgt. Von 1970 bis 1975 war Goodall Gastprofessorin für Psychiatrie und Humanbiologie an der Stanford University, ab 1973 Gastprofessorin für Zoologie an der Universität von Dar es Salaam. Nach der Scheidung 1974 von ihrem ersten Mann heiratete sie 1975 den tansanischen Parlamentsabgeordneten und Direktor der Nationalparks von Tansania Derek Bryceson, mit dessen Hilfe sie den Bestand Gombes als Nationalpark sicherte. Bryceson starb 1980 an Krebs. Die Zeit danach bezeichnete Goodall als die schwierigste ihres Lebens. Gründung des eigenen Instituts 1977 wurde das Jane-Goodall-Institut von der Primatologin und Genevieve di San Faustino (1919–2011) zum Schutz der bedrohten Schimpansen und besseren Verständnis von Menschenaffen und ihrem Lebensraum gegründet. Im selben Jahr wurde ein Bild von ihr bei der Beobachtung von Schimpansen als Bild 60 mit dem Voyager Golden Record in den interstellaren Raum geschickt. Aktivistin für Tier- und Naturschutz 1986 änderte sie nach einer Konferenz in Chicago über den ethischen Umgang mit Tieren die Richtung ihrer Arbeiten. Sie verschrieb sich nun der Bildung eines breiten Publikums, um die Habitate der Schimpansen besser schützen zu können. Sie begann mit den dortigen Regierungen zusammenzuarbeiten, um einen ökologisch verträglichen Tourismus aufzubauen. Auch gab sie Unterricht in Ökologie, arbeitete mit lokalen Verwaltungen und Forschungsinstitutionen zusammen und legte ein Schutzprogramm für verwaiste Schimpansen auf. 1990 veröffentlichte sie ihr Buch Through a Window, in dem sie den Standpunkt vertrat, dass das anwachsende Wissen über die geistige und soziale Komplexität der Tiere dazu führen müsse, einen ethisch verantwortbaren Weg des Umgangs mit ihnen zu finden. Dies beziehe sich gleichermaßen auf die Haltung von Tieren als Haustiere, zur Unterhaltung, zur Fleischgewinnung oder in Versuchslaboren wie auch auf sonstige Arten des Umgangs mit ihnen. 1991 gründete Goodall mit Kindern in Tansania die Aktion Roots & Shoots, „Wurzeln und Sprösslinge“, die inzwischen bereits in mehr als 10.000 Roots & Shoots-Gruppen in über 100 Ländern vertreten sind. In den diversen Roots & Shoots-Gruppen sollen vor allem Kinder und Jugendliche eigene Ideen und kleine Projekte im Bereich Natur- und Umweltschutz entwickeln, um so zur Verbesserung sowohl des menschlichen als auch des tierischen Lebens auf der Erde beizutragen. Goodall setzte sich außerdem im Great Ape Project für bestimmte Rechte der großen Menschenaffen ein, die den Menschenrechten ähnlich sind. 2000 gründete sie die Organisation Ethologists for the Ethical Treatment of Animals. Seit 2002 war sie UN-Botschafterin des Friedens. Zudem warb sie für Alternativen zu Tierversuchen. Im Mai 2008 forderte sie das Nobelpreiskomitee auf, einen Nobelpreis für Alternativmethoden zu Tierversuchen zu schaffen. 2010 wandte sie sich gegen Gewalt gegen Tiere und gegen Tierversuche, die sie mit Folter verglich. 2010 kam unter dem Titel Jane’s Journey ein Dokumentarfilm des deutschen Regisseurs Lorenz Knauer über den Lebensweg Goodalls in die Kinos. 2018 erschien der Dokumentarfilm Jane des US-amerikanischen Regisseurs Brett Morgen. Ebenfalls 2018 war Goodall im Tierrechtsfilm Citizen Animal – A Small Family’s Quest for Animal Rights zu sehen. Die Wissenschaftlerin zählte zusammen mit Alec Baldwin zu den prominenten Umweltaktivisten, die den Äquator-Preis 2015 unterstützten und besuchten. Es wurden 21 von Gemeinden getragene Initiativen für ihre Arbeit zur Armutsbekämpfung und zum Schutz der Artenvielfalt ausgezeichnet. Goodall gehörte zum Kreis von Menschen, die aufgrund von Gesichtsblindheit unfähig sind, Personen anhand ihres Gesichts zu erkennen. Sie schlussfolgerte aus ihren Naturerfahrungen, dass es eine „größere spirituelle Kraft“ gebe, die die Natur übersteige. Sie wolle nicht von „Gott“ sprechen. Das Gefühl, dass eine solche Kraft existiere, sei für sie ausreichend. Im Februar 2021 forderten Goodall und über 140 Wissenschaftler die EU-Kommission auf, Käfighaltungen bei Nutztieren abzuschaffen. Im Juni 2022 besuchte Goodall das Programm zur Auswilderung des Waldrapps in Kuchl. Die Forscherin starb im Alter von 91 Jahren während einer Vortragsreise im US-Bundesstaat Kalifornien. Sie hatte einen Sohn und drei Enkelkinder. UN-Generalsekretär António Guterres würdigte ihre Arbeit auf X als „außergewöhnliches Vermächtnis für die Menschheit und unseren Planeten“.
Auszeichnungen und Ehrungen (Auswahl)
1972: Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
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