Mani ...

Die Mani, geprägt vom bis zu 2400 Meter hohen Taygetos-Gebirge und dessen südlichsten Ausläufern war bis ins 20. Jahrhundert wegen ihrer Unwegsamkeit Rückzugsgebiet für viele Menschen auf der Flucht vor fremden Eroberern und aus dem gleichen Grund auch ideal für Piraten. Durch die besondere Topographie war die Mani ein Landstrich fast frei von staatlichen Eingriffen und entwickelte einen besonderen Menschenschlag mit eigener Kulturform. Obwohl es an befestigten Orten schon viel früher einzelne Kirchen gab, fasste das Christentum erst im 9. Jahrhundert richtig Fuß, als unzählige Kirchen und Kirchlein gebaut und mit teils noch heute wunderschönen Fresken geschmückt wurden.

Seit dem Neolithikum ist die Mani nachweislich bevölkert, Siedlungsspuren wurden in mehreren Höhlen gefunden, z. B. in den Apidima-Höhlen oder der Alepotrypa-Höhle. In der Folge durchzogen unter anderem Dorer, Spartaner, Slawen (namentlich die Melinger), Franken, Venezianer und Türken die Mani. Von ihren Baulichkeiten ist nicht mehr viel zu sehen, aber ihre Nachkommen leben noch heute hier. Keine der „Besatzungsmächte“ über die Jahrhunderte hinweg konnte die Maniaten unterdrücken; sie blieben immer frei, wild, unberechenbar und untereinander zerstritten, was sich in den teils sehr hohen maniotischen Wehr- und Wohntürmen ausdrückt. Familienfehden über Generationen hinweg drückten den Maniaten ihren Stempel auf. Gerade in diesem Landstrich wurde die griechische Befreiung von der 400-jährigen Herrschaft des Osmanischen Reiches organisiert und begonnen.

Mirologia

Einen festen Bestandteil der maniatischen Kultur bildeten die traditionellen Totengesänge, die Mirologia. Diese wurden nach dem Ableben von Familienmitgliedern oder nahestehenden Personen im Kreise der Trauernden vorgetragen. Oftmals ließen die Interpreten dabei das gesamte Leben des Verstorbenen noch einmal Revue passieren und sangen sich dabei in tranceartige Zustände. Meistens trugen Frauen diese Totenklage vor.

Die Mirologia sind das einzige, was die Maniaten neben eigener Kirchen- und Wehrturmarchitektur an Volkskultur hervorgebracht haben. Die Archäologie geht davon aus, dass die Totengesänge der Spartaner sowie die Gebete im Orakel von Kap Tenaro schon so klangen.

Durch den Bevölkerungs-Exodus auf der Mani in den letzten Jahren findet jedoch so gut wie kein kultureller Austausch der Generationen mehr statt, sodass diese Tradition über kurz oder lang verschwinden wird. Aufnahmen von traditionell vorgetragenen Myrologia gibt es nur sehr wenige. Eine der wenigen bekannten Interpreten ist die ursprünglich aus der Mani stammende Diamanda Galás. In ihrem Medley Tragoudia apo to aima exoun fonos sind die traditionellen Totengesänge zu hören, vermischt mit antiken Einflüssen.

Blutrache

Ein sehr langes und grausames Kapitel der maniatischen Kultur befasst sich mit der Blutrache (Vendetta). Jahrhundertelang wurde die gesamte Mani von Morden und Blutrachefehden durchzogen. Dabei ging es meistens um Land- und Einflussgewinn. Oftmals wurde aber auch persönlicher Zwist zwischen verfeindeten Familienclans durch die Vendetta gelöst.

Der Ablauf war klar strukturiert. Die Mitglieder des Clans versammelten sich und erklärten der feindlichen Familie, meistens durch ein einfaches Glockengeläute der örtlichen Kirche, den Krieg. Das Ziel der Fehde bestand darin, so viele Mitglieder des feindlichen Clans umzubringen wie möglich. Frauen und Kinder durften nicht erschossen werden, dienten jedoch als Nachschublieferanten für Munition und Verpflegung. Die Männer verschanzten sich in den hohen Wohn- und Wehrtürmen, aus denen sie mit Hilfe von Pistolen, Gewehren und Kanonen versuchten, ihre Feinde auszurotten. Benötigte eine Seite eine sog. Treva (Waffenruhe, ein Überbleibsel der mittelalterlichen, ursprünglich westeuropäischen feudalen Fehdewesens, von lateinisch Treuga, frz. Trêve), z. B. für Beerdigungen oder die Ernte, so wurde eine Feuerpause ausgehandelt. Die Fehden endeten erst dann, wenn der feindliche Clan ausgelöscht war oder die Stadt verlassen hatte.

Die größte Treva wurde 1821 auf der gesamten Mani ausgerufen. Damals zog Petros Mavromichalis mit den vereinigten Clans der Mani in den Krieg gegen die Türken.

Manche Blutrachefehden dauerten jahrelang und endeten oftmals mit mehreren hundert Toten. Durchschnittlich brachten es manche Clans auf bis zu 500 bewaffnete Männer, welche von ihren Müttern nicht Sohn, sondern Oplo (gr. Gewehr) genannt wurden. Die nachweislich längste Fehde fand in Vathia zwischen vier Familien statt. Sie dauerte über 40 Jahre und forderte mehr als 200 Opfer.

Sogar die Osterbräuche in der Mani sind tief mit Blutrache und Rebellion verknüpft. Der Sage nach ermordeten die Osmanen in der Karwoche 1780 ein Oberhaupt eines mächtigen maniatischen Clans. Die Totenklage seiner Mutter galt nicht der Trauer oder dem Verlust, sondern lediglich der Blutrache: „… ich will keine Kränze in die Schürze oder rote Eier in den Korb, nur Gerechtigkeit für meinen Sohn, den Anführer der Manioten … erstecht alle Türken und verbrennt ihre Burg“. Und so geschah es, am Ostersonntag 1780 wurden die Osmanen in einem blutigen Gemetzel vertrieben. Um den Schmerz des Verlustes zu vergessen, verlegten die Manioten deshalb mancherorts die Osterfeiern vom Ostersonntag auf den Ostermontag.

Tänze

Obwohl das Leben in der Mani mehr Anlass zum Singen von Mirologia als zum Tanzen gab, entstanden hier zwei Volkstänze: der Palio Maniatiko (Alter Maniatischer), der auf antiken Tanzvorlagen basiert, und der moderne Maniatiko, eine Weiterentwicklung des Palio Maniatiko, der auch vereinzelte Schrittfolgen des Kalamatianos beinhaltet. Beide Tänze pflegt man bis heute nur in der Mani.

 


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