KASTORIA ...

Kastoria ist eine Stadt im Nordwesten Griechenlands und eine Gemeinde im Regionalbezirk Kastoria der Region Westmakedonien.

Die Stadt liegt auf einer Halbinsel, die in den Kastoria- oder Orestida-See (Λίμνη Ορεστίδος) in Form einer 8 vom Westufer des Sees hinein ragt und auf rund 250 Meter über das See-Niveau (ca. 620 Meter über dem Meeresspiegel) ansteigt. Die Stadt liegt vor allem am Isthmus der Halbinsel, dem sogenannten Hals (griechisch λαιμός lemos), dehnt sich aber auch nach Osten in die Hügel der Halbinsel aus. Zwischen dem Stadtzentrum von Kastoria und dem Seeufer besteht in Teilen ein starkes Gefälle.

Die Entfernung nach Thessaloniki beträgt etwa 200 km Straßenverbindung in nordöstliche Richtung, Florina liegt etwa 60 bis 100 km Straßenverbindung entfernt (je nach Route).

Um den Kastoria-See befindet sich eine Hochebene, die das Zentrum der Gemeinde bildet und sich rund zehn Kilometer weit in die Berge nach Osten erstreckt. Nach Westen, Norden und Osten steigen die Berge des nördlichen Pindos-Gebirges auf, markante Berge sind im Nordwesten das Massiv des Triklario (1776 m), der Kastoria von der Gemeinde Prespes trennt, im Norden der Verno (2128 m) an der Grenze zu Florina und im Westen der Mouriki (1699 m), an dessen Nordflanke der Klisoura-Pass in die nordöstliche Nachbargemeinde Amyndeo führt. Im Süden setzt sich die Ebene in die Gemeinde Argos Orestiko fort. Westlich bildet die Staatsgrenze zu Albanien die Gemeindegrenze, die südwestlich der Gemeinde durch den Gipfel des Grammos markiert wird.

Das Gemeindegebiet durchfließt – westlich und südlich der Kernstadt – der Aliakmonas, dem hier, in seinem Oberlauf, zahlreiche Nebenflüsse aus den Tälern des Pindos zufließen, darunter der Gioli (Γκιόλι), der die Wasser des Kastoria-Sees und seiner neun oberirdischen Zuflüsse aufnimmt.

Trotz der Lage inmitten der mediterranen Klimazone können die Winter in Kastoria beträchtlich kalt werden. Im Januar 1967 fielen die Temperaturen so weit ab, dass der Kastoria-See vollständig zufror.

Geschichte

Das Gebiet um Kastoria war schon in prähistorischer Zeit besiedelt. Nahe der Ortschaft Dispilio, 5 km südöstlich der Stadt Kastoria, wurden Überreste einer neusteinzeitlichen Siedlung am Ufer des Kastoria-Sees gefunden. Von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist die dort gefundene Schrifttafel, die auf ein Alter von 5260 v. Chr. datiert wurde, das sogenannte „Dispilio Tablet“.

Antike

In der Antike war die in der Landschaft Orestis gelegene Stadt unter dem Namen Keletron (altgriechisch Κέλετρον) bekannt. Im Zweiten Makedonisch-Römischen Krieg (201–197 v. Chr.) ergab sich Keletron den römischen Truppen, die den griechischen Namen als Celetrum latinisierten. Mit der Teilung des Römischen Reiches fiel Keletron im Jahre 395 n. Chr. unter die Kontrolle des Byzantinischen Reiches.

Später wurde die Stadt nach dem römischen Kaiser Diokletian (um 240–312) Diokletianoupolis benannt.[9] Im Jahre 550 n. Chr. versah der byzantinische Kaiser Justinian I. die Stadt mit einer Festungsanlage und nannte sie in Ioustinianoupolis um. Für die Herkunft des modernen Namens Kastoria gibt es zwei unterschiedliche Auffassungen. Die eine besagt: „Von Kastell (Kastron) stammt der Name der Stadt bei den Bulgaren, die sie als Kostur nach 850 und nach 990 besetzten, und bei den Griechen, die sie 1018 wieder zu Griechenland machten“. Pouliopoulos hält jedoch die Auffassung für wahrscheinlicher, dass der Name auf Kastor, den Biber, zurückzuführen ist, auch wenn dessen Vorkommen dort zwar möglich, aber nicht bezeugt ist.

Mittelalter

Der bulgarische Zar Samuil eroberte Kastoria 990 für das erste bulgarische Reich, dessen Hauptstadt das weiter nördlich gelegene Ohrid war. 1018 gelang Kaiser Basileios II. die Rückeroberung Kastorias gegen den bulgarischen Zaren Iwan Wladislaw. Die Normannen unter ihrem Anführer Robert Guiscard und seinem Sohn Bohemund von Tarent drangen von Valona und Durazzo an der heutigen albanischen Adriaküste entlang des Flusses Devoll in das Landesinnere und eroberten Kastoria im Jahre 1083.

1218 wurde Kastoria vom Despotat Epirus erobert, unter dessen Herrschaft die Stadt knapp 40 Jahre verblieb. Im Jahre 1259 nahmen Truppen des byzantinischen Kaiserreiches Nikaia die Stadt ein, worauf der sich in der Stadt aufhaltende Despot von Epirus, Michael II. Angelos Kastoria verlassen musste.

Der serbische König Stefan Uroš IV. Dušan eroberte Kastoria 1345, seine Nachfolger verloren sie 1371 in der Schlacht an der Mariza an Andrea II. Muzaka aus der begüterten albanischen Adelsfamilie Muzaka. Für diesen Sieg erhielt Andrea II. 1372 (kurz vor seinem Tod) vom byzantinischen Kaiser Johannes V. die Investitur von Kastoria Andreas Nachfolger wurde sein Sohn Theodor II. Muzaka, der letzte Herrscher der Stadt vor der osmanischen Eroberung (Schlacht von Savra) im Jahr 1385.

In den Jahren 1383/84 ließen die Brüder Theodor II. Muzaka und Stoya Muzaka zusammen mit dem Mönch Dionysius die griechisch-orthodoxe Kirche St. Athanasius von Muzaka Kirche erbauen, die heute eine der wichtigsten byzantinischen Denkmäler der Region ist.

     Die Jungfrau Maria von Koumpelidiki      Irene Paleologina, Wandgemälde von Taxiarchis Metropolis

Osmanische Ära

Unter der osmanischen Herrschaft steigt die wirtschaftliche Bedeutung Kastorias, vor allem durch das Pelz- bzw. Kürschnerhandwerk, erheblich an. Neben Siatista und Ohrid war Kastoria regelmäßig auf Messen und Märkten zwischen Leipzig und Istanbul vertreten.[16] In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stiftete der Pelzhändler Manolakis aus seinem privaten Vermögen eine kirchliche Hochschule in Konstantinopel. Auch in Kastoria selbst bestand eine bedeutende griechische Schule.[18] Als griechische Händler aus Kastoria waren beispielsweise im Jahre 1767 Johann Narantzi (Ioannis Narantzis) und Ralli Diamandi in Wien bekannt. Der englische Reisende William Martin Leake berichtet Anfang des 19. Jahrhunderts, dass sich die Bevölkerung von Kastoria aus 600 Familien zusammensetze: ein Zehntel davon seien jüdische Familien, die restliche Bevölkerung teile sich gleichmäßig zwischen Griechen und Türken auf. Die die Stadt umgebenden Dörfer gibt Leake – mit Ausnahme einiger osmanischer Verwaltungsbeamten – als ausschließlich griechisch an. Eine slawische Bevölkerungsgruppe erwähnt Leake aus unbekannten Gründen nicht. Leake bemerkt, dass Kastoria seit seiner Beschreibung durch Anna Komnena in ihrer Alexiade seit dem 12. Jahrhundert im Wesentlichen unverändert sei. Anfang des 19. Jahrhunderts unterstand der Bischof von Kastoria dem Erzbischof in Ohrid.

Neuere Geschichte

Im Jahr 1900 setzte sich die Bevölkerung der Stadt nach Angaben des bulgarischen Ethnographen Wassil Kyntschow folgendermaßen zusammen: 3000 Griechen, 1600 Türken, 750 Juden, 300 Albaner, 300 Slawen („Bulgaren“) und 240 Roma. Schriftliche Hinweise für eine jüdische Gemeinde finden sich ab dem Jahr 1400. In diesem Zeitraum hat der jüdische Vorbeter David B. Elieser in Kastoria gelebt. Nach Irmela Banco waren Kastoria und Kozani sowie Serres die „wichtigsten Griechenstädte in Makedonien“. 1445 wird ein bulgarischer Bevölkerungsanteil durch das Stadtregister offiziell registriert. Am Karsamstag des Jahres 1944 luden deutsche Angehörige der Wehrmacht die etwa 1000 in Kastoria lebenden Juden auf Lastwagen. Von ihnen überlebten nur 30 in Auschwitz, von denen einer nach Kastoria zurückkehrte.

Kastoria wurde in der Zeit der osmanischen Herrschaft als ein Zentrum der griechischen Kultur angesehen, in welchem die griechische Sprache, Sitten und Gebräuche sowie die griechisch-orthodoxe Religion gepflegt wurden. Handel und Wirtschaft in der Region blühten, die Pelzwirtschaft entstand. Kunst und Literatur konnten sich entfalten.

Die Herrschaft des Osmanischen Reiches endet 1912: Im Verlauf des Ersten Balkankrieges wurde die Stadt Kastoria am 15. November 1912 von griechischen Truppen erobert. 1913 wird Kastoria im Frieden von Bukarest endgültig dem griechischen Staat zugeordnet. Zwischen 1912 (Ende des Ersten Balkankrieges) und 1922 (Ende des Griechisch-Türkischen Krieges) wurden in der heutigen Verwaltungsregion Westmakedonien, darunter auch die Präfektur und Stadt Kastoria, erhebliche Bevölkerungsanteile „ausgetauscht“. Bulgarische und türkische Bevölkerungsanteile verließen die Region bzw. mussten sie verlassen, griechische Bevölkerungsanteile zogen freiwillig oder aufgrund von Vertreibungen aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten in Kleinasien zu. Ende der 1920er Jahre hatte Kastoria rund 10.000 Einwohner.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Kastoria Mitte April 1941 im Rahmen des Unternehmens Marita von deutschen Truppen erobert. Der erste Angriff der eingesetzten Leibstandarte SS Adolf Hitler scheiterte am 15. April 1941 zunächst am heftigen griechischen Widerstand. Der vorausgegangene Italienisch-Griechische Krieg, der am 28. Oktober 1940 mit dem Einmarsch italienischer Truppen von Albanien aus begonnen hatte, zeitigte kein Kampfhandlungen in der Stadt. Nach der griechischen Kapitulation Ende April 1941 wurde Kastoria der italienischen Besatzungszone zugeschlagen. Die italienische Besatzung dauerte bis September 1943, dem Zeitpunkt des Übertritts Italiens von den Achsenmächten zu den Alliierten, an. Das deutsche Regiment „Brandenburg“ hatte die Aufgabe erhalten, die knapp 3000 in Kastoria stationierten italienischen Soldaten des 1. Regimentes der Division „Pinerolo“ (heutiger italienischer Truppenverband: Infanteriebrigade Pinerolo) zu entwaffnen, was trotz erheblicher Spannungen ohne Anwendung von Waffengewalt gelang.

Im Griechischen Bürgerkrieg von 1946 bis 1949 erlebte Kastoria im Dezember 1947 einen massiven Zustrom von Flüchtlingen aus den umliegenden Dörfern; 12.000 Flüchtlinge konzentrierten sich in den beiden Städten Kastoria und Argos Orestiko. Wenige Monate später, im März 1948, beherbergte die 1940 rund 11.000 Einwohner zählende Stadt Kastoria zeitweilig bis zu 6000 Flüchtlinge aus den Dörfern in der Umgebung.

Sehenswürdigkeiten

    - Der Kastoris oder auch Orestias-See (620 m über NN, 28,7 km², Tiefe 7–15 m)
    - Museen in Kastoria sind das Volkskundemuseum, das Byzantinische Museum, das Ikonenmuseum.
 - Eine Reihe von Bürgerhäusern makedonischer Pelzhändler dokumentiert den Wohlstand dieses Berufsstandes.
   - In der Stadt befinden sich 72, durchwegs kleine, aber sehenswerte byzantinische Kirchen sowie ein ehemaliges Kloster. Einige hiervon sind als Kunstdenkmäler eingestuft, so beispielsweise die größte der Kirchen, die Agii Anagyri aus dem 10. Jahrhundert, oder die Kirche Agios Nikolaos tou Kasnitsi. Die Panagia Koumbelidiki aus dem 11. Jahrhundert ist die einzige Kirche mit einem runden Turm („Kumbes“, türkisch für Kreis). Die Fresken, die den ganzen Innenraum bedecken, entstanden 200 Jahre später. An der Decke ist ein Dreifaltigkeitsfresko – in ganz Griechenland soll es nur diese bildliche Darstellung Gottvaters geben.     - Reste der Stadtmauer aus dem Jahr 535 befinden sich noch neben der Nomarchia, dem Amtssitz des Präfekten.
    - Bauten aus der osmanischen Epoche, heute wohl meist im „malerisch verfallenden Zustand“, sind der Basar, eine Moschee und der Ḥammām.

 


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